“Wie du dein Kind dazu bringst, mit dir zu kooperieren!” Oft lesen wir auf Social Media und Ratgeberseiten die schnellen Tipps dafür! Meine Meinung? Ich finde diesen und ähnliche Sätze zum davonlaufen wenn es darum geht, mit Kindern friedvoll und auf Augenhöhe zu leben.

Nicht weil ich nicht den Wunsch vieler Eltern darin sehen kann, dass es doch bitte einfach mal leicht sein soll! Ja, ich sehe dich! Die große Not, die damit verbunden ist. Weil es oft einfach verdammt hart ist allein oder stundenweise mal zu zweit den Alltag mit Kind und Co zu wuppen. Glaub mir: ich sehe dich und I feel you!

Mir geht es nicht um den Wunsch, dass es doch bitte mal einfach sein soll!

Sondern weil von vielen Ratgebenden etwas in die Welt gesät wird, das den Eltern den Eindruck vermittelt, es braucht nur dieses und jenes und schon macht das Kind mit. Dann läuft der Alltag easy von der Hand. Dabei gehen diese schematischen Anleitungen, die von kindlichen Bedürfnissen handeln sollen, leider im Kern sowas von krass dran vorbei.

Oft wird suggeriert, es braucht nur die Erfüllung eines Bedürfnisses, wie z.B. Sicherheit. Und schon klappt das mit der Kooperation. Die Eltern müssen nur dafür sorgen. Und schon tut das Kind, was wir uns wünschen. Juhu!

Ach, wenn es denn so einfach wäre!

Die Idee dahinter: Kinder haben den tiefen Wunsch, ihren Eltern zu gefallen. Also müsse man ja nur für die Erfüllung von Bedürfnissen auf der einen Seite sorgen, damit das Kind dann schwuppdiwupp auf der anderen Seite wie von Zauberhand kooperiert.

Letztens erst wieder gelesen: “Dein Kind braucht Sicherheit, um kooperieren zu können.”

Was für ein Quatsch. Menschliche Gefühle und Bedürfnisse kann man nie so in einen kausalen Zusammenhang stellen.

Ja, klar ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kinder nach Sicherheit und Verbindung zu erfüllen. 

Aber da können wir uns doch keinen fixen Outcome draus erwarten! Ein vorhersehbares, bestimmtes Verhalten, das das Kind dann an den Tag legt. So wie wir es haben wollen.

Denn Kinder haben genauso das Bedürfnis nach Autonomie! Und dieses Bedürfnis muss das Kind zurückstellen, wenn es kooperieren soll! Sprich, im Endeffekt nichts anderes tun soll, als das, was die Eltern wollen und erwarten. 

Leute, das ist, um es klar auszusprechen, nix anderes als Gehorsam! 

Denn wenn es um wirkliche Kooperation ginge, dann würde das Kind es ja freiwillig machen. Und es bräuchte keine Anleitung  “wie du dein Kind zur Kooperation bringst”.

Wenn nun diese Erwartung aufgestellt wird: “Dein Kind muss sich nur sicher genug fühlen, dann wird es auch kooperieren, weil es ja den Eltern folgen will”. Dann finde ich das einen völlig falschen Blick auf Bedürfnisorientierung!

Außerdem haben am Ende einzig und allein die Eltern das Gefühl, versagt zu haben, wenn Schritt 1 nicht automatisch zu Schritt 2 führt.

Nebenbei bekommt das Kind nen riesen Druck aufgebürdet. Es soll es den Eltern damit leicht machen, damit sie sich zufrieden fühlen. Und auf Instagram und Co. steht ja, dass es so funktioniert. Warum macht das Kind also dann nicht mit? Warum kann das Kind nicht einmal tun, was ich sage?!

Ja, ich verstehe die grundsätzliche Idee, dass Kinder Teamplayer sind und den Wunsch haben, mit den Eltern zu kooperieren. Ich mag jedoch das Wort in dem Zusammenhang nicht. Sie wollen sich verbunden fühlen. Das trifft es in meinen Augen mehr. 

Und genauso wie sie die Verbindung mit den Eltern spüren wollen, wollen sie die Verbindung zu sich selbst spüren!! Ihre eigene Autonomie und Selbstwirksamkeit ausleben. Und dieses Bedürfnis ist von Kind zu Kind unterschiedlich. 

Das Bedürfnis nach Autonomie und das nach Verbundenheit mit den Eltern konkurrieren an dieser Stelle miteinander.

“Erfülle deinem Kind Bedürfnisse und keine Wünsche!” geht am Kind vorbei!

Autonomie ist nicht gleich Autonomie. Hier wird auch oft versucht zu suggerieren, dass man das Bedürfnis nach Autonomie auf beliebige Weise erfüllen kann. Oft wird behauptet: “Erfülle deinem Kind Bedürfnisse und keine Wünsche!”

Diesen Ansatz finde ich furchtbar. Weil er in meinen Augen Adultismus (sprich die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihres Alters) befeuert und vollkommen am Kind vorbei geht!

Ja, es steckt hinter jedem Wunsch, ja hinter jedem Gefühl, ein Bedürfnis! Aber wer sind wir, um als Eltern, darüber bestimmen zu können, wie unsere Kinder sich das zu erfüllen haben??! Welche Strategie sie dafür wählen dürfen!

Was dann oft passiert, sieht ungefähr so aus: Das Kind “braucht” Autonomie. Es will Süßigkeiten haben, aber es darf keine essen, denn das wäre ja “nur ein Wunsch”! Weil ja aber das Bedürfnis nach Autonomie erfüllt werden soll, darf das Kind entscheiden, ob es nen Apfel oder ne Birne essen will.

Alter Verwalter, mir brennt der Hut. Ich würde durch die Decke gehen, wenn jemand so mit mir umgehen würde. Das Kind vermutlich auch – wäre ihm nicht zu verdenken! Es spürt die Macht der Eltern und die eigene Ohnmächtigkeit.

Ja, oft gibt es verschiedene Strategien, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Manchmal stehen verschiedene Wege zur Auswahl. Und wir Erwachsenen können auf eine viel breitere Palette zurückgreifen, wenn es darum geht, uns Bedürfnisse zu erfüllen.

Kinder können das, auf Grund ihrer fehlenden Fähigkeit umplanen zu können, einfach noch nicht in diesem Umfang wie wir! 

Was mit dem Statement  “Erfülle Bedürfnisse und keine Wünsche” oft noch gleichgesetzt wird? Das mit dem Kind was nicht stimmt, wenn es dann trotzdem wütend wird. Es wird unterschwellig die Botschaft vermittelt, dass das Kind dann damit zufrieden sein muss. Weil, es wurde ja auf das Bedürfnis eingegangen. 

Und das wiederum öffnet Tür und Tor für Machtkämpfe. Denn wie fühlt man sich denn als Elternteil, wenn man diese einfache Formel umsetzt und dann ein tobendes Kind vor sich hat? Das die Ungerechtigkeit viel mehr spürt als viele Erwachsene!

Ja, genau, wir fühlen uns hilflos! Und Hilflosigkeit ist der erste Schritt zu destruktivem Verhalten unseren Kindern gegenüber.

So abgeschweift, nun zurück zur Kooperation.

Ja, Kinder sind Teamplayer. Sie kooperieren mit allen (!) Situationen. Nur halt nicht immer so, wie die Erwachsenen es sich erhoffen. 

Sie müssen immer abwägen, ob sie nun dem Wunsch nach Verbindung mit den Eltern oder ihrem eigenen Drang nach Autonomie nachgeben! Immer!

Ganz so einfach ist das mit der “Kooperation” halt nunmal nicht. Ich verstehe, dass Eltern es gerne leicht und einfach haben wollen. Allerdings ist es das selten, wenn wir von komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen auf Augenhöhe ausgehen. Schon gar nicht nach Schema F. 

Ich fände es viel ehrlicher, da klar in der Kommunikation zu sein. Wenn du willst, dass dein Kind Zähne putzt, obwohl es keinen Bock hat, dann willst du, dass es gehorcht! Dann kannst du sagen: “Emil, es tut mir leid. Mir ist wichtig, dass du jetzt Zähne putzt. Du hast da jetzt keine Wahl. Wie können wir es angenehm machen.”

Statt vorher zu denken: “Oh jetzt lass ich mein Kind erstmal ganz viel selbst bestimmen. Und wenn wir dann Zähne putzen gehen, dann hat es genug Autonomie getankt, um in der Folge freiwillig kooperieren und schön den Mund aufmachen zu können.”

Oder der Empfehlung zu folgen “Mache klare Ansagen in kurzen Sätzen. Das gibt dem Kind Struktur und Sicherheit. Dann klappt das mit dem Zähneputzen 1a.”!

Klar kann das funktionieren. Aber nicht weil es kausal nach Schema F funktioniert. Sondern weil dein Kind gerade dazu bereit ist. 

An dieser Stelle hört Kooperation sich für mich immer ein Stück nach Manipulation und Gehorsam ab. Ziel ist es, dass das Kind tut, was die Eltern sagen. 

Oft habe ich den Eindruck, dass Erwachsene den Begriff Kooperation mögen, weil er so schön gewaltfrei klingt.

Die Frage ist nur: Ist es das in der jeweiligen Situation wirklich? Wenn ich mein Kind manipulieren will, ist das nicht gewaltfrei!

Natürlich ist das kein Aufruf dazu, die Bedürfnisse der Kinder zu ignorieren!

Und gleichzeitig gibt es andersherum keine Garantie: erfülle die Bedürfnisse und erwarte, dass dein Kind dann mitmacht!

Das ist für mich doch weit weg von wirklicher Bedürfnisorientierung. Das ist einfach mechanisch. Auch wenn ich es noch so freundlich verpacke.

Bedürfnisse werden in diesem Ansatz schnell instrumentalisiert. Eines gegen das andere aufgewogen. Und Kausalitäten hergestellt, wo es keine geben KANN. 

Weil Kinder Menschen sind. Und das Geflecht aus Gefühlen und Bedürfnissen ist weit komplexer, als zwei Bedürfnisse auf die Waage zu legen und zu erwarten, dass sie sich gegenseitig aufwiegen. Und ein gewünschtes Ergebnis dabei rauskommt. 

Ehrlich, ich kann den Wunsch der Eltern nach Leichtigkeit absolut nachvollziehen und fühlen! Wie oft denken wir uns denn “Kann das jetzt nicht mal einfach laufen?”. Weil wir ja eh schon so krass viel stemmen. Und jetzt steht dieser kleine Wutzwerg vor uns und wir könnten zum Himmel schreien “Warum ist es bloß so kompliziert?” “

Das Ding ist halt einfach: Manche Kinder brauchen deutlich mehr Autonomie als andere. High need, Hochsensibilität, Neurodivergenz, all das wird in der vereinfachten Gleichung “Bedürfnisserfüllung=Kooperation” schlicht nicht berücksichtigt.

Klar gibt es sowas wie nen “Bedürfnissentank”. Sagen wir mal ein Glas. Wenn das einfach komplett leer ist, dann geht nix mehr. Im Umkehrschluss heißt es aber nicht automatisch, dass ich in das Glas nur gewisse Zutaten (Bedürfnisse) geben muss, damit dann hinterher die fertige Kooperation auf dem Tisch serviert werden kann.

Bei Kindern, die einen sehr hohen Drang nach Autonomie haben, fragen sich genug Eltern “Was mache ich eigentlich falsch? Warum kooperiert mein Kind nicht?.

Und lesen dann, sie müssen nur die anderen Bedürfnisse erfüllen. Dann tut das Kind, was die Eltern von ihm brauchen.

Manchmal kommt auch der Gedanke auf, das Kind will nicht kooperieren. Und verweigert bewusst die Kooperation.

“Waaa, mein Kind kooperiert nicht! Was soll ich denn jetzt tun?” Wie soll man da als Eltern nicht verzweifeln? Wenn man doch immer wieder gesagt bekommt, wie einfach das doch ist.

Vielleicht sollten die Fragen eher lauten: 

    • Wie können wir besser verstehen, warum unsere Kinder nicht kooperieren und tun, was wir wollen?
    • Wie können wir es schaffen, nicht daran zu verzweifeln, wenn unsere Kinder morgens nicht in die Kita wollen oder was immer wir gerade brauchen? 
    • Wie können wir unseren Kindern die besten Absichten unterstellen, wenn sie gerade genau das Gegenteil von dem tun, was wir erwarten?

Es kann doch nicht das Ziel sein, dass Eltern dafür sorgen, dass der kindliche Bedürfnistank genug gefüllt ist, damit sie das Gefühl bekommen, das Kind tut freiwillig, was wir wollen/ verlangen. Und das ganze “Kooperation” nennen.

Wenn das Kind das nicht freiwillig macht, sondern ausschließlich für uns, dann erwarten wir keine Kooperation, sondern dass sie tun, was wir wollen. Das ist Gehorsam. 

Gehorchen klingt ja auch echt doof. Da denkt man doch gleich an die Generationen vor uns. Da klingt Kooperation gleich viel netter.

Im Endeffekt läuft es auf’s Gleiche hinaus. Das Ding ist: es geht, egal wie wir es nennen, jedes mal darum, was WIR wollen  und brauchen. Nicht, was das Kind will. 

Sonst würde es ja freiwillig mitmachen. Und die ganze Frage danach “wie bringe ich mein Kind dazu, zu kooperieren?”, würde sich in Wohlgefallen auflösen.

Es wäre ehrlicher, dir folgende Frage zu stellen, wenn dein Kind zu etwas nicht “nein” sagen darf: 

“Wie kann ich es meinem Kind erleichtern, mir zu gehorchen?”

Was bei der ganzen Sache mit der Kooperation und den Bedürfnissen einfach zu kurz kommt: Wenn ich Bedürfnisse instrumentalisiere, fehlt die Beziehung! 

Ja klar ist es wichtig, dass wir versuchen, die Bedürfnisse unserer Kinder so gut es geht zu erfüllen. Aber Erwartungen daran zu knüpfen, wenn die Bedürfnisse erfüllt wurden, hebelt aus meiner Sicht die Bedürfnisorientierung aus und macht sie zu einem Instrument für Gehorsam.

Klar kann ein Kind, das insgesamt ausgeglichen ist, auch in notwendigen Situationen eher seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen und “mitmachen”. Im Gegensatz zu einem Kind, dessen Tank gerade eh schon leer ist. Aber es ist kein Allheilmittel, den Bedürfnistank zu füllen, damit das Kind dann tut, was man will – gezielt. Es ist keine Garantie!

Vielleicht, ganz vielleicht, ist es auch total unerlässlich, die eigene Erwartungshaltung an unsere Kinder zu überprüfen! Nur so ein Gedanke!

Was denkst du? Hinterlasse einen Kommentar oder schreibe mir an hallo@andreaberndt.de .

Du gehst da voll mit? Und stehst gleichzeitig da und fragst dich: Ja, wie bekomme ich das im Alltag gut hin? Ohne 0815! Damit du und dein Kind auf Augenhöhe Lösungen findet, die wirklich zu euch passen?

Und zwar ohne Drohungen ala “Wenn du jetzt nicht mitmachst, dann…!”

Lass Erziehung hinter dir und wähle den Weg der Verbindung!

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